Gent Blaugrana » Ideen, Tipps, Links, Ressourcen » Barça hier und heute » Barça und die Franco-Diktatur, Katalonienkrise

Aus gegebenem Anlass:
Können wir für uns hier bitte mal darlegen, wie oft Franco und Real früher Händchen hielten und inwiefern Katalonien bis heute(!) unterdrückt wird? Also, zum Wohle der Wissenschaft, natürlich.
Ich lese in diesen Tagen sehr viel böse Sachen in den Weiten des Internets. Viele Leute, die vorschnell urteilen und sich bekriegen. Hier die regierungstreuen Hauptstädter, da der arme unterdrückte Held. Aber das hat nur noch ganz wenig mit Sport zu tun.
Ich kann meine paar Kontakte in Spanien natürlich auch nicht jeden Tag komplett nerven mit "Erzählt doch mal, wieso ist es so wie es ist". Uns sollte ja allen bekannt sein, dass während der Franco-Zeit die katalanische Sprache und sämtliche politischen Parteien verboten waren. Also so richtig. Es gab keine katalanischen Zeitungen mehr, das Unterrichtsfach wurde abgeschafft und politisch ging gar nichts, die Autonomie war weg. Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Unmut der Einheimischen ebenso nachvollziehbar, wenn ich höre, dass Katalonien so etwas wie unser Bayern ist und eine Abspaltung große wirtschaftliche Einbußen nachsich zöge (aus Sicht Restspaniens). Auch muss Katalonien stetig viel Geld nach Madrid abdrücken, etwa vergleichbar mit dem Länderfinanzausgleich bei uns.
Das scheinen jedoch nur 10 % der ganzen Geschichte zu sein, die aktuell wieder aufkocht. Mich interessiert vor allem, wie viel Franco in Real Madrid tatsächlich steckt und wie gebeutelt Katalonien tatsächlich bis heute, Oktober 2019 ist. Man möge meinen, 40 Jahre nach Francos Tod hat sich das alles ein wenig beruhigt.

Ui, ganz leichte Frage ;-)
Ich schreibe das jetzt mal aus dem Bauch (des am Thema interessierten Historikers) und nicht nach eingehender Durchsicht meiner kleinen Bibliothek zum Thema Katalonien und FCB.
Es war unter der Dikatur (1939 bis 1975) verboten, in der Öffentlichkeit Katalanisch zu sprechen. Einzige Ausnahmen: das Kloster Montserrat und das Stadion von Barça! Das Autonomiestatut von 1931 wurde abgeschafft, Spanien war ein zentralistischer Staat.
Was Franco und Barça angeht, gibt es viele Legenden. Er war wohl als Galicier ursprünglich Fan von Deportivo La Coruña, es heißt auch, er sei Atlético näher gestanden als Real, das damals noch nicht der Elite-Verein war. An persönliches Eingreifen von ihm glaube ich nicht, aber natürlich hatte Madrid als Hauptstadt des spanischen Zentralstaats Vorrang vor Barcelona, das noch während des Bürgerkriegs eine Hochburg des Anarchosyndikalismus und Atheismus gewesen war. Am bekanntesten ist natürlich die Geschichte mit dem Kauf von Alfredo di Stefano, der angeblich schon mit Barça einig war und dann nach Madrid ging, wo beide zusammen extrem erfolgreich waren. Dabei gab es etwa so viele Ungereimtheiten wie beim Kauf von Neymar, so dass die katalanische Interpretation einer Entscheidung Francos zugunsten von Real schon ziemlich eigenwillig ist.
Hauptproblem der jüngsten Krise und vielleicht mit ein, zwei "Sí" des früheren konservativen Ministerpräsidenten Rajoy schnell zu lösendes Problem war die Forderung Kataloniens nach mehr finanzieller Autonomie. In Spanien treibt der Staat die Steuern ein und verteilt nach Gutdünken an die Autonomias (~Bundesländer). Bei uns ist es andersherum und wir haben den Länderfinanzausgleich zwischen ärmeren und reicheren, in den die Bayern aber auch nicht mehr gern einzahlen, nachdem sie durch NRW lange Jahre gepäppelt wurden. Aber aus Madrid kam nur "No!" und mit jedem Nein wuchs der Anhang der Separatisten. Die beiden größten katalanischen Parteien ERC (sozialliberal) und CiU (konservativ-liberal, heute teilweise PDCat) waren jahrelang in Madrid das Zünglein an der Waage gewesen, um Minderheitsregierungen zu stützen. Die Unabhängigkeit war mehr eine philosophische Idee als ein konkretes Ziel. Das hat sich im Zuge der obigen Verhandlungen und der Austeritätspolitik nach dem Börsencrash geändert, einige Radikale setzten nun auf Independència. Klar zahlen Katalonien und das Baskenland als historisch und aktuell wirtschaftlich modernste und leistungsstärkste Bundesländer mehr in den Topf ein, als sie wieder zurück erhalten. Darum hatte ich auch von Anfang an keine Sympathien für die Unabhängigkeit, weil die vor allem ihr Geld behalten wollten.
Das Beste wäre unser föderales System, die sozialdemokratische PSOE hat sich, als sie noch in der Opposition war, auch dafür ausgesprochen, aber man hört nichts mehr von einem solchen verfassungsändernden Vorstoß, zumal die Katalonienkrise auch die äußerste Rechte in Restspanien stark gemacht hat (neue Partei VOX, aber auch PP). Da geht im Augenblick nix! Weiß auch nicht, wie man da jemals wieder rauskommt. Wer ne Idee hat, dürfte den nächsten Friedensnobelpreis sicher haben!

Es gibt eine Übereinkunft zwischen den katalanischen Linksrepublikanern und den beiden Parteien, die im Januar eine Koalitionsregierung bilden werden und bei der Wahl des Ministerpräsidenten auf die Enthaltung angewiesen sind. Darin ist vorgesehen, dass die Ergebnisse der kommenden Verhandlungen zwischen der spanischen und der katalanischen Regierung Thema einer Volksbefragung sein sollen. Mal sehen, worin diese Ergebnisse bestehen und ob diese Vorgehensweise den Konflikt entspannen kann.

Kannst du dazu eine Einschätzung geben?

Keine Ahnung! Kann alles Mögliche sein: mehr Autonomierechte v.a. in Bezug auf Steuern, Föderalisierung Spaniens. Es soll aber kein Referendum geben, sondern eine Befragung ("consulta"). Ergebnisse hängen davon ab, wie stur die kat. Regierung ist und wie weit die neue Rechtspartei VOX die Verhandlungen für sich ausbeuten kann. Föderalisierung wäre gute Lösung, wird auch in der PSOE lange schon favorisiert, aber die verfassungsändernde Mehrheit dafür ist kaum zu bekommen.