Laporta hat gestern bei der Vorstellung von Agüero Andeutungen über Koeman gemacht. Man habe die Absicht, den Vertrag zu respektieren, er hätte mit Koeman eine Phase der Reflexion, der Evaluation der letzten Saison begonnen. Man steht in Kontakt, die Gespräche laufen gut, aber die Phase der Reflexion sei notwendig. Koeman sei sehr froh über den Zugang von Agüero (MD).

Das ist jetzt also Laportas Strategie, um ohne größeren Gesichtsverlust aus der ohne Not selbst verursachten Trainerkrise rauszukommen: aus der Suche nach einem besseren Trainer wird dann eine Phase der Reflexion! Eben ein mit allen Wassern gewaschener Rechtsanwalt. Sieht dann wohl eher nach Verbleib des Niederländers aus. Koeman bleibt dennoch beschädigt, Laporta würde man bis auf Weiteres auch keine Vertrauenserklärungen abkaufen. Mal abwarten, ein paar wichtige Siege und die Wogen glätten sich wieder. Hoffe, dass es diese Woche noch ein offizielles Ende dieser Geschichte gibt und nicht erst nach "15 Tagen".

EDIT
Auf Pressekonferenz zur Präsentation von Eric Garcia sagte Laporta heute: Zeichen eher auf Verlängerung als Trennung von Koeman. Aber soll wohl wieder stärker taktisch zur Cruyff-Orthodoxie zurückkehren. Ui, bin mal einer Meinung mit Joan Laporta ;-)

EDIT2
Laut SPORT ist jetzt sogar eine Verlängerung des Vertrag denkbar, mit der aber auch konkrete Ziele benannt werden sollen. Dies soll zu Zeiten Cruyffs als Trainer üblich gewesen sein. Als Anreiz würde eine optionale Verlängerung um ein Jahr hineingeschrieben. Koeman soll damit einverstanden sein und wartet auf die Entscheidung, die diese Woche fallen soll. Der Vorstand verspricht sich davon eine öffentliche Stärkung Koemans, der ja angezählt sei aufgrund der kürzlichen Ereignisse. Bei den Zielen sollen wohl auch taktische Grundsätze eine Rolle spielen (weg vom 3-5-2).

Das war mein erster Gedanke, Johann. Wer soll denn über die Taktik bestimmen, wenn nicht der Trainer? Und wie komisch ist das denn? Ein System, das durchaus funktionierte, darf nicht mehr verwendet werden, weil... ?
Ich hoffe, Koeman wird seitens Laporta öffentlich der Rücken gestärkt. Bei dieser Schlammschlacht direkt nach Saisonende wünsche ich mir ein Bekenntnis zu ihm, wenn er weitermacht.

1) Offensivfußball im 4-3-3 gehört seit vielen Jahren glücklicherweise zur Kultur unseres Vereins. Daran kann man durchaus festhalten. Sicher aber nur auf eine Weise, die dem Trainer gewisse Freiheiten lässt, aus dem Material, das er hat, etwas zu machen. Sollte Koeman den Mourinho machen und den Bus parken im 4-4-2 oder was auch immer, wäre es ja auch kein Kündigungsgrund, nur die Verlängerung würde flach fallen.

2) Ich denke auch (oder hoffe), dass Koeman das 3-5-2 nur als vorübergehede Krücke betrachtete, weil er die Abwehr stabilisieren musste. Hoffen wir, dass dies in 2021/22 nicht mehr nötig sein wird. Mal sehen, ob noch ein IV kommt. Wenn Fati wieder fit wird und Dembélé doch bleibt, haben wir auch die Außenstürmer dafür.

Übrigens: Koeman hat in seiner Zeit als Bondscoach auch bevorzugt 4-3-3 spielen lassen. In den ersten 4-5 Spielen gab es noch ein paar Experimente, aber dann hat man u.a. die komplette EM-Quali und die Nations League in dieser Aufstellung durchgezogen. Zwar hin und wieder defensiv, also mit zwei Sechsern und nur einem Achter, aber 4-3-3.

Jordi Cruyff hat seinen Vertrag unterschrieben und fängt am 1. August an. Als was genau? Interpretationen reichen von Technischer Direktor bis Berater. Da Planes ja bleibt, läuft es eher auf eine Mischung aus Maskottchen, Lordsiegelbewahrer und Chefideologe hinaus ;-)

EDIT
JC hat laut Laporta eine "große Karriere und viel Erfahrung".
Das ist schlicht lachhaft: von Barça ging es als Spieler zu Manchester United (34 Spiele in 4 Jahren), Celta Vigo, Deportivo Alavés, Espanyol Barcelona, De Volewijckers, Metalurh Donezk und FC Valletta. Trainer und/oder Sportdirektor war er bei De Volewijckers, FC Valletta, Maccabi Tel Aviv, Chongqing Lifan, Ecuador (null Spiele) und Shenzhen FC. Da er aber eigentlich als Sohn und Symbol eingestellt wird, wird ihm diese "Erfahrung" nicht groß schaden. Schließlich gibt es in Alemany und Planes genug Profis im Verein. Bin gespannt, welche konkrete Rolle er am Ende spielen wird. Zu Koeman dürfte er einen guten Draht haben, weil der ja schon im Elternhaus ein- und ausging.

Laporta hat gestern auf der Pressekonferenz auch Hinweise gegeben, wie sich der Fußball Barças in der kommenden Saison entwickeln soll: "Ich erwarte ein wettbewerbsfähigeres Barça, mit einer Siegermentalität, mit einem offensiveren System - das das spielt, was wir mögen: Ballbesitz und mehr Pressing." (Übersetzung BW).

Bin gespannt darauf, wie Koeman und die sportliche Leitung die Frage der Mentalität angehen wollen. Das Problem gibt es ja nicht erst seit gestern, die Klatschen gegen Roma, Liverpool, Bayern haben einige der Altstars grundlegend verunsichert. Aber ich würde die Ursachen noch weiter früher suchen, als wir alle Trophäen abgeräumt haben. Es ist toll, wie unsere alten Helden sich immer noch reinhängen, allen voran Messi, der nie satt zu werden scheint. Dennoch ist doch klar zu erkennen, dass immer ein paar Prozent fehlen gegenüber Spielern, die noch nie einen Finger an Meister- oder CL-Pokal gelegt haben - und jedes Jahr mehr. Dieses Motivationsproblem hat nach Pep kein Trainer lösen können, vielleicht auch weil die Methoden von Guardiola zu extrem waren. Meines Erachtens hilft da nur eine biologische Lösung: die mentalitätsschwachen alten Herren müssen in Rente, weil sie selbst im Kader noch jüngere Spieler beeinflussen können. Man merkt ja wie die sich an den Busquets und Piqué orientieren. Da diese Lösung aber noch 1, 2 Jahre brauchen wird, bin ich gespannt, wie sich die Mannschaft in der nächsten Saison in Spielen präsentieren wird, in denen es um Prestige und Weiterkommen geht.

Glaubwürdig oder geht es schon um ein Alibi für den Zeitpunkt, an dem er eingestehen muss, seine Ziele nicht erreicht zu haben?

100 Tage im Amt
- fand den Klub schlimmer vor als befürchtet, konkret: einige Verträge begrenzen Spielräume allzu sehr
- nicht mehr zeitgemäße Höhe von Gehältern, machen es schwierig mit anderen Verein über die Abgabe von Spieler zu verhandeln, weil die bei uns zu gut verdienen, zu wenige Verkäufe bis jetzt
- es kommen noch 3-4 Spieler [Depay einer davon, weil nur Agüero, Emerson und García erwäht werden)
- Wijnaldum: manchen Spielern in einem gewissen Alter ist das Geld wichtiger als die Projekte
[klar, Barça gewinnt die CL ja auch viel wahrscheinlicher als PSG!]
- kein Stress in Sachen Messi-Verlängerung, weil sie in permanentem Kontakt sind
- gute Gespräche mit Pique über Gehaltskürzung, Barcelonista durch und durch
- Koeman: hat die Weise, wie wir die Liga verloren haben, nicht verstanden; haben guten Draht, er ist eine großartige Person, dickköpfig, aber großartig
- Jordi Cruyff wird helfen [keine klare Positionsbeschreibung, Mädchen für alles]
- [heute Mitglieder- oder Vertreterversammlung] hat Bartomeu eingeladen, es kam Jordi Moix (Vize) [und wurde heftig ausgepfiffen] haben 1,2 Mrd Euro Schulden, wollen mit Kredit über 500 Mio. Euro Schulden umstrukturieren, um wieder handlungsfähig zu werden
- wollen mit der alten Führung eine Einigung herbeiführen, schließen aber keine rechtlichen Schritte aus
- European Super League: sind damals schon zu spät dem Europapokal beigetreten, verteidigt das Modell ESL immer noch
- Riqui Puig: außergewöhnlich talentierter Fußballer

Ich habe jetzt mal ein bisschen recherchiert, wie Laporta das sture Festhalten an der SL begründet. Im Wesentlichen sagt er, dass mit den ganzen Oligarchen- und Ölscheichvereinen eine Marktverzerrung aufgetreten, die, wenn das nicht knallhart von den Regularien aufgefangen wird (z.B. via Salary Cap, FFP etc.), nachhaltige Probleme mit sich bringen wird (das ist meine freie Übersetzung).
Wie hart beim FFP durchgegriffen wird, konnten wir ja bei Manchester City schon sehen.

Barcas Schulden hin oder her, der Mann hat da völlig Recht. Schon jetzt lässt sich beobachten, dass die Premier League immer attraktiver wird, weil da sowohl "von Haus aus" das meiste Geld generiert wird + darüber hinaus am meisten mit Geld umsich geschmissen werden kann (eben City, aber auch Chelsea mit Abramowitsch, ManU mit den Glazers oder Liverpool). Wenn man sich dann noch an die Scharmützel mit PSG auf dem Transfermarkt erinnert (Thiago Silva als Puyol-Erbe vor der Nase weggeschnappt, Verratti vom Verbleib "überzeugt", die absurd hohe AK von Neymar gezogen, Xavi Simons und jetzt Wijnaldum einfach doppelt so viel Gehalt geboten), erscheint es überhaupt wie ein Wunder, dass ein mitgliedergeführter Verein wie Barca, der den Fans gehört, wo demokratisch abgestimmt wird, statt dass da ein Alleinherrscher seine Spielchen treibt, sich so weit oben halten kann.
Hätte nicht gedacht, dass ich noch ein Argument für die ESL finde, aber hier sendet Laporta für mich eindeutig das richtige Signal. Der Fußball entwickelt sich in eine ganz unschöne Richtung und das tut er nicht erst mit der Idee einer Super League.