Sehr interessanter investigativer Text über den Zustand in der Mannschaft und die Beziehungen der Spieler:
Riñas entre gigantes (El País)

Zitat

---

Von den 4 Kapitänen kennt nur Piqué auch andere Klubs; das Charisma von Piqué wird in der Mannschaft nicht ernst genommen, Busquets kümmert sich nur um seine Sachen, Messi beschreit mehr als je die Einsamkeit der Nummer eins; Mittelfeldspieler hatten das Gefühl, dass Valverde die Stümer Messi und Suárez überprotegierte; sie mussten derweil die Lücken stopfen, die die beiden rissen, weil sie nicht nach hinten arbeiten wollten; Busquets hat immer mit Xavi ausführlich über taktische Erfahrungen gesprochen, macht das noch; heftige interne Konflikte nach dem Valencia-Spiel, nicht nur die Verärgerung über die Niederlage; Ter Stegen hält sich aus Machtspielen raus, hat de Jong beim Ankommen geholfen, guten Draht zu Rakitić, Semedo und den Franzosen; Anruf von Godin bei Suárez hat Griezmann bei der Integration geholfen, hält sich an die anderen Franzosen

---

Und die hochoffzielle Version von SPIEGEL online dazu

Wenn ich beide Artikel lese, dann komme ich (nicht zum ersten Mal übrigens) zu dem Entschluss, dass wir wohl demnächst eine Komplettsanierung brauchen. Bei dem Spiegel-Titel "am Rand der Explosion" lächelte ich noch müde, aber wenn man sich alles aus den letzten Monaten ins Gedächtnis ruft, dann muss es wohl bald so sein. Der Vorstand muss weg, Nebenposten wie der Sportdirektor gehören erneuert/verbessert und der Kader muss endlich von der Alten Garde befreit werden, damit er sich ein neues Gesicht aufsetzen kann.

Frenkie de Jong ist anscheinend stocksauer auf das Ärzte-Team von Barça, sie hätten seine Verletzung am Anfang falsch diagnostiziert. Auch andere Spieler, so die sich verdichtenden Gerüchte, hätten seit Mitte der Saison geklagt über unpräzise Diagnosen, schlecht geplante Heilprozesse und Rückfälle. So haben auch Umtiti und Dembélé mangels Vertrauens in die Vereinsärzte sich von Dritten helfen lassen (Quelle).

Was ist da los, die galten doch mal als Weltspitze? Kurz und klein gespart? Man wundert sich ja seit mindestens Monaten immer wieder über bestimmte Dinge. Dabei braucht eine Mannschaft, deren Träger über 30 sind, wahrscheinlich viel intensivere medizinische Betreuung.

Barca hat vor wenigen Jahren mal verlauten lassen, dass man am Drucker spart: Schwarz weiß statt Farbe. Kein Witz.
Da ist es für mich erstmal selbstredend, dass mindestens mal in Augenschein genommen wurde, an der medizinischen Abteilung zu sparen.

Ich habe nach wie vor Probleme damit, Barca einzuordnen. Ich bin noch nicht so weit zu sagen, dass Barca schlecht ist. In unregelmäßigen Abständen zeigt die Mannschaft durchaus gute Ansätze, nicht umsonst können wir uns immer wieder an den jungen Wilden erfreuen. Bezeichnend ist, dass wir in dieser Saison die andere Art der Messi-Abhängigkeit sehen. Bei ihm läuft es gar nicht und entsprechend zahnlos wirken wir im Offensivspiel. Habe mir jetzt nochmal einige Szenen Messis angesehen; nicht nur aus dem Kiew-Spiel sondern der gesamten bisherigen Saison. Er wirkt mental ziemlich angeschlagen, was erklären würde, warum er mitunter katastrophale Fehlpässe spielt, die er normalerweise blind mit 38 Fieber hinkriegt. Er will für seinen Erfolg mit dem Kopf durch die Wand und da geht natürlich jegliche Leichtigkeit und Lockerheit flöten. Kein Tor aus dem Spiel heraus und keine Vorlage in der Liga schaffte er zuletzt 2006.
Jetzt die Kardinalsfrage: Wer fängt einen formschwachen Messi auf? Früher hatten wir da noch Henry, Etoo, Ibra, Villa, Alexis, Neymar und natürlich Suarez.

Trincao und Dembele sind ziemliche Wundertüten. Beide noch nicht voll integriert, zwar mit Potential, aber sie brauchen viel eher Führung als dass sie selbst jetzt führen können.
Pedri und Ansu drehe ich keinen Strick daraus, dass sie Messis Formschwäche nicht auffangen. Ansu ist ja bereits unser Toptorjäger, aber er muss mit seinen 18 noch nicht die Mentalität besitzen, durch eine ganze Saison auch in den "big games" voranzugehen. Der Unterschied zu Trincao und Dembele ist jedenfalls, dass die Entwicklung seit Saisonbeginn in die richtige Richtung geht.
Coutinho und Griezmann kämen als einzige Offensivspieler infrage, Messi zur Seite zu stehen und die Mannschaft in einem Spiel zu führen. Coutinho startete tatsächlich sehr gut, doch der fällt nun erstmal noch weitere 2 Wochen aus. Griezmann ist leider in der Hinsicht unsere Schwachstelle. Er ist bis heute nicht richtig in die Mannschaft integriert. Obwohl er manchmal gute Ansätze zeigt, will der Knoten einfach nicht platzen.
Braithwaite lasse ich einfach mal außen vor, ich denke, er ist lediglich ein Spieler für die Kaderbreite, der immer mal als Notnagel reingeworfen wird. Ist aber auch okay, man verlangt nicht von ihm, dass er sich in die erste Reihe stellt und das Banner trägt.

Im Mittelfeld bzw auf der Doppelsechs sieht es nicht unbedingt schlecht aus, jedoch können wir da durchaus noch ein paar Schrauben verstellen. Mit Alenya und Puig haben wir gleich zwei Spieler, die die 6 eigentlich nicht spielen können. Busquets' Zeit als Stammspieler sollte eigentlich schon längst abgelaufen sein und es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis Pjanic sich in der ersten Elf festspielt. Wie gesagt, offiziell resultieren seine doch gekürzten Einsätze lediglich aus einer Covid-Infektion, wo der Körper erstmal wieder 100 % erreichen muss. Pjanic hat eine ähnliche Ball- und Passsicherheit wie Busquets, nur dass Pjanic auch mal aus der zweiten Reihe aufs Tor schießen kann und einen kleinen, aber sehr wichtigen Ticken schneller ist.
An Frenkie ist nicht viel auszusetzen, er muss halt langsam den nächsten Schritt gehen, aber auch er ist (noch) niemand, der in einer Krise die Führung übernimmt. Zumindest nicht bei Barca. Wie bei Ansu und Pedri sehe ich hier aber, dass man in die richtige Richtung geht.

Unsere Defensive ist ja bekanntermaßen unsere größte Baustelle. Die Außen sind noch okay, mit Dest haben wir zum Glück einen super Mann für die nächste Dekade, Alba ist nach vorn noch gut, baut aber nach hinten ab. Hier wäre ein Alaba nächsten Sommer ablösefrei, sportlich wie mental definitiv ein Upgrade, aber der quetscht gerade jeden Cent aus den Bayern raus. Unter 20 Millionen € Gehalt wird da nichts gehen und so einen brauchen wir dann doch nicht.
Innen haben wir ziemliche Probleme auf kurze und lange Sicht. Araujo muss nach der Verletzung erstmal wieder in die Spur finden. Gute Anlagen, könnte wenn er fit ist von Ansu und Pedri mitgezogen werden, wenn man die Drei als "next gen Barca" brandmarkt.
Lenglet ist solide, aber (noch) kein Superguter und da weiß ich auch ehrlich gesagt nicht, wohin die Reise geht. Man sagt bei Innenverteidigern, die in 9/10 Fällen immer im Duo spielen, dass eher durchschnittliche Verteidiger oft von einem sehr guten Verteidiger daneben profitieren und besser wirken, als sie es eigentlich sind. Das hat man in Madrid bei Varane ganz gut gesehen, als Ramos nicht spielte. Ähnlich in Dortmund mit Hummels und Zagadou oder früher bei uns mit Puyol und Pique. Ich sehe keinen Grund, Lenglet zu verteufeln, aber ich finde auch irgendwie immer noch keine konkreten Punkte, wo ich sagen kann: "Geil, es geht jetzt bergauf!"
Pique sehe ich ähnlich wie Busquets: Es wäre falsch, solche Legenden sofort abzusägen. Damit macht man nur ein neues Fass auf und Koeman bringt unnötig Fans und vielleicht die Vereinsführung gegen sich auf. Diesen Spielern könnte man aber vermitteln, dass es für die Startelf nicht mehr reicht, sie aber in der Breite und punktuell eingesetzt immer noch sehr wichtig sind. Vielleicht sehen wir hier nach der Winterpause eine Veränderung, wenn Garcia da ist oder Araujo wieder super in die Spur findet.

Die Torwartposition lasse ich mal außen vor. ter Stegen ist scheinbar nach der OP noch besser als vorher, mit Neto wird man wahrscheinlich eher keine Titel gewinnen.

Die personellen Verbesserungen im Kader sind natürlich notwendig, jedoch ist das nicht unsere einzige Baustelle. Früher haben wir uns darüber echauffiert, dass alles über Messi ging. Jetzt geht über Messi fast gar nichts und wir sitzen wieder vor einem Problem. Zum Teil lässt sich das natürlich einfach mit der Zeit lösen, wenn Ansu, Pedri, Ous, Trincao, Cou und Griez den nächsten Schritt gehen, aber wer weiß ob man Koeman so viel Zeit gibt. Ich bleibe ja bei der Meinung, dass kein Umbruch von heute auf morgen vollzogen ist wenn man nur ein paar Namen und Positionen auf der Taktiktafel austauscht.
Meine Erwartungen für die Saison schraube ich jedenfalls noch mal ein wenig zurück. Ich bin vor Saisonbeginn ohnehin nicht davon ausgegangen, dass wir um irgendeinen Titel mitspielen, doch vorerst müssen wir uns wohl damit zufrieden geben, den Jungen und Neuen dabei zuzusehen, wie sie sich präsentieren. Wenn man die letzte Saison als die des großen Knalls betiteln kann, dann haben wir jetzt wohl die Saison der Verpuppung - ohne zu wissen, was am Ende aus dem Kokon schlüpft ;).

Wie seht ihr die Lage seit Saisonbeginn bis heute?

Wie kann man das Problembündel Barça jetzt aufdröseln? Ultrapragmatisch gesehen (Finanzsituation, Kaderzusammensetzung, Impakt der neuen Trainer, Verein ohne gewählten Vorstand) kann man eigentlich schon mal einen Strich unter die Saison machen, selbst wenn Depay, Garciá und Mr X im Januar kämen. Also muss man die Ziele zurückstecken auf die Entwicklung der jungen Spieler im Hinblick auf zukünftige Erfolge. Ob es dann noch Koeman sein wird, der das Team in der (hoffentlich) nach-Covid-Saison 2021/22 betreut, sei dahingestellt.

Wir werden mit dieser Truppe ohnehin in der CL nicht weit kommen. Auch mit nur 3 unserer Ü30 statt 5 oder 6 können wir kein richtiges Pressing aufziehen. Messi, Alba und Piqué in dem Fall sind aber eben die Spieler, die den Takt im Team vorgeben. In der Liga wird es mit Sicherheit noch viele grausige Auswärtskicks bei den angeblichen Kleinen geben. Die Punkte muss man aber holen für die Silberware, es sei denn, Real lässt auch viele liegen. Mir ist der Meisterpokal wurscht, aber inzwischen erwarte ich auch nicht mehr, dass mein Bedürfnis nach guter Unterhaltung befriedigt wird. Wir sind als Mannschaft wieder schlechter als vor ein paar Wochen, es gibt keine Weiterentwicklung - am besten ist das an Griezmann abzulesen.

Im Sommer muss dann weiter ausgemistet werden, wobei dann - je nach Zeitpunkt des Vorliegens des Impfstoffs und der Wiederzulassung der Zuschauer - hoffentlich mehr Geld da ist, um ein paar Nachfolger für unsere Altlasten zu verpflichten. Aber mit Messi, Busquets, Piqué, Roberto und Alba hat diese Mannschaft definitiv keine Zukunft mehr. Griezmann sollte Adieu sagen, er hatte noch nicht einmal wirklich eine Gegenwart bei Barça.

Ja, das wird eine Saison zum Abtasten, Prüfen, vielleicht auch zum Ertragen(müssen), weil es kader- und führungstechnisch weder vor noch zurück geht. Ich denke, Koeman fährt am besten, wenn sich die Mannschaft in seinem neuen System findet und die jungen Spieler nach und nach integriert werden. Wenn er nicht so lange bleiben sollte um den Umbruch zu vollziehen, dann kann er zumindest den Grundstein dafür legen. Mit mehr jungen Spielern, am besten natürlich aus eigenem Hause, und weniger Altherren, dürfte man das Gehaltsgefüge auch entzerren.

Sehe das mittlerweile komplett wie Fifty: Messi sollte weg. Sicherlich, wird man an Prestige einbüßen, Sponsoren werden vielleicht nicht mehr ganz so viel zahlen wollen und die Trikotverkäufe werden runtergehen. Wie das dann in Zahlen aussieht kann ich nicht beurteilen, aber ich glaube auch nicht, dass Messi finanziell sich selbst trägt bzw. dass man ohne Messi finanziell nicht oder kaum besser dastehen würde. Vielleicht gibt es ja auch eine direkte Zepterübergabe von Messi an Ansu, so wie damals von Ronaldinho an Messi. Wenn Ansu so weitermacht wie bisher, kann er auf jeden Fall Messis Erbe antreten.

Zitat von Tical im Beitrag #9

---

Ja, das wird eine Saison zum Abtasten, Prüfen, vielleicht auch zum Ertragen(müssen)

---

Bin da ganz d'accord mit dir, Tical. Es waren übrigens noch die 23-jährigen de Jong und Dembélé in der Startelf.

Was man bei großen Spielen immer noch sieht, ist die extreme Passivität gerade der Erfahrenen im Team wie Busquets oder Messi. Die haben offenbar wirklich einen Knacks weg, weil sie jahrelang als unbesiegbar galten und sich dann die Klatschen abgeholt haben. Kadertechnisch führt in solchen Matches an ihnen kein Weg vorbei, du kannst nicht nur auf unbeschwerte Jugend setzen. Aber die Alten müssen dann auch liefern. Letztlich ein Dilemma, aus dem kurzfristig kein Weg führt.

Das alles spricht dafür, den Umbruch fortzusetzen, aber da kann man wohl auf Koeman vertrauen. Er bringt zwar nicht alle Jungen gleichermaßen (siehe Puig), aber selbst mit Depay und Wijnaldum wären Fati und Moriba sicher nicht abgemeldet. Ein Pokal sollte es wahrscheinlich schon sein, damit Koeman und sein junger Haufen einen Nachweis für ihr Potenzial und Fähigkeiten haben. Das Double wäre wahrscheinlich schon wieder kontraproduktiv, man könnte die Hände wieder in den Schoß legen.

Vielleicht passt das am besten hier rein.

Das Potsdamer Institut für Spielanalyse fand in seiner alljährlichen Saisonanalyse heraus, dass von allen Bundesligamannschaften der FC Bayern am wenigsten Strecke zurückgelegt hat: im Schnitt 114,5 Kilometer pro Partie und damit weniger als jede andere Mannschaft. Die meisten Kilometer pro Spiel spulte Union Berlin ab (120,3), im Schnitt liefen die Mannschaften 116,9 Kilometer pro Partie.

Das erinnerte mich an einen Lieblingsvorwurf gegenüber dem Barca der letzten Jahre: Man laufe zu wenig, man sei zu statisch. Ich will das hiermit keineswegs aufweichen. Zu frisch sind die Erinnerungen an den valverdeschen Schlafwagenfußball ohne jegliche Kreativität.
Auch verfolge ich die Bayern nicht so sehr, um mir ein Urteil über deren Spielweise zu verschaffen. Worauf ich hinaus will ist aber, dass man Barca in Zukunft vielleicht gar nicht so sehr an der Laufleistung messen muss, weil es ja offenbar auch anders geht. Die Bayern haben halt vor allem den Gegner laufen lassen und das passt ja wiederum super zu unserer Ballbesitzphilosophie. Schon Xavi und Iniesta hatten es gar nicht nötig, eine besondere Physis zu entwickeln, weil sie durch die Spielweise Barcas kaum in Zweikämpfe verwickelt wurden. Will sagen: man müsste das in Zukunft vermutlich ambivalenter betrachten. Auch wenn es manchmal so aussehen mag, dass bei uns kaum Bewegung drin ist anhand der Zahlen, ist das vielleicht kein Zeichen von Unvermögen, sondern schlicht Teil der Spielphilosophie (gibt ja da durchaus legitime Mittel z.B. den Gegner müde machen etc).

Halte auch die These von den vermiedenen Zweikämpfen für etwas fragwürdig. Iniesta hatte immer ein paar Kletten an sich hängen, wenn er den Ball bekam, nur dass er ihn eben so genial behaupten konnte, dass es am Ende meistens Foul und Freistoß gab. Pedri hat zu Saisonbeginn gezeigt, dass er zumindest auch etwas davon hat, bei Puig kann ich es mir nicht vorstellen, da fehlt wirklich die Physis. Natürlich lief das Bällchen gut beim Triangulieren im Tiki-Taka. Pep soll ja auch gesagt haben, der Ball muss das Laufen übernehmen. Aber das war schon physischer und laufintensiver als es die Legende verklärt.